Ist Inklusion gescheitert? Behält das Bildungswesen in Deutschland die Bildungsgerechtigkeit im Fokus?
Sozioökonomische Faktoren wie Herkunft, die Bildung der Eltern oder der finanzielle Wohlstand der Familie werden immer wieder in Zusammenhang mit der Bildungsgerechtigkeit gebracht. Aber auch andere Faktoren wie die körperliche oder geistige Verfassung eines Schülers oder einer Schülerin stehen in Verbindung mit einer benachteiligen Behandlung in der Schule. Ein inklusives Schulsystem kann genau hier ansetzen und dafür sorgen, dass alle Schüler:innen so angenommen werden, wie sie sind.
In diesem Artikel möchten wir Fragen wie ,,Wann ist Inklusion gescheitert?’’, ,,Wie kann Bildungsgerechtigkeit im Fokus behalten werden?’’ sowie ,,Wie sieht das deutsche Bildungswesen im Vergleich zu anderen Ländern aus?’’ nachgehen und aufzeigen, was die europäische Union grundsätzlich für mehr Bildungsgerechtigkeit machen kann.
Wann ist Inklusion gescheitert? Wie kann Bildungsgerechtigkeit im Fokus bleiben?
Inklusion ist ein sehr relevantes Schlagwort wenn es um Bildungsgerechtigkeit geht. Zunächst ist das als positiv anzusehen, da immer mehr Diskussionen rund um die zunehmende Heterogenität in der Schule stattfinden. Auch wenn viele Pädagog:innen das Konzept einer inklusiven Schule unbedingt umsetzbar machen möchten, fühlen sie sich bei dieser Aufgabe dennoch häufig überfordert oder im Stich gelassen. Grund dafür ist nicht zuletzt die Covid-19 Krise mit ständig wechselndem Online- und Präsenzunterricht, was eine schwierige Zugänglichkeit zum einzelnen Kind forderte. Auch scheitert es oft an inklusiven Unterrichtsmaterialien, die kaum oder gar nicht vorhanden sind. Der Vorteil der daraus gezogen werden kann ist, dass das Bildungswesen in Deutschland und die Bildungsgerechtigkeit spätestens seit der Pandemie wieder in aller Munde sind.
Bildungsgerechtigkeit ist weltweit ein höchst relevantes Thema und sollte nicht erst wieder aktuell werden, wenn es einen bestimmten Anlass dafür gibt. Im Gegenteil. Das Bildungssystem durchläuft langfristig einen Wandel und die Themen Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit müssen noch intensiver auf politischer und gesellschaftlicher Ebene aufgegriffen werden.
Behält deutsches Bildungswesen die Bildungsgerechtigkeit im Fokus?
Im Artikel 24 der Behindertenrechtskonvention heißt es, dass „Menschen mit Behinderung gleichberechtigt Zugang zu einem inklusiven, hochwertigen und unentgeltlichen Unterricht an Grundschulen und weiterführenden Schulen haben“ sollen. Bildung ist in Deutschland Ländersache; jedes Bundesland geht die Umsetzung einer inklusiven Schule anders an. Damit Bildungsgerechtigkeit im Fokus bleiben kann, bedarf es einem Anstreben einer Bildungsgleichheit. Die Armutsquote der unter 18-jährigen stieg in Deutschland im Jahr 2019 auf 20,5 Prozent an. In der Hauptstadt stammt sogar jedes vierte Schulkind aus einer Familie, die Hartz 4 beantragen muss, wie aus diesem Artikel vom Fokus hervorgeht. Seitens der Politik wurde diskutiert, dass Geringverdiener für ihre Kinder künftig eine Kindergrundsicherung erhalten sollten. Dieser Ansatz kann einen erster Schritt für mehr Bildungsgerechtigkeit sein.
Deutsches Bildungswesen im Vergleich zu anderen Ländern
Skandinavien wird generell gerne als Vorbild für Deutschland herangezogen – so auch in Sachen Bildung. In den nachfolgenden Unterkapiteln möchten wir einen Vergleich zwischen dem deutschen und dem schwedischen Bildungssystem darstellen. Zudem besteht auch zwischen dem deutschen und dem Französischen Bildungssystem ein markanter Unterschied.
Deutsches Bildungswesen im Vergleich zum Schwedischen
Wenn es um Bildung und Chancengleichheit geht, wird Schweden gerne als Vorreiter herangezogen und als leuchtendes Vorbild wahrgenommen. Doch wie genau unterscheidet sich das schwedische vom deutschen Bildungswesen eigentlich?
Im Gegenzug zum deutschen Bildungswesen ist der Schulalltag in Schweden flexibler und oft ohne einen fixen Stundenplan gestaltet. Wie auch in Deutschland wird in Schweden davon ausgegangen, dass alle Kinder unabhängig von der Zahlungsfähigkeit ihrer Bezugspersonen in der Lage sein sollen, sich Wissen zu anzueignen. Das ist auch der Grund, weshalb kommunale Schulen kostenlos sind und die Schüler:innen neben einem gratis Transport in die Schule und retour auch ein reichhaltiges Mittagessen in der Schule kostenlos zur Verfügung gestellt bekommen. Der Schulalltag kann meist selbständig strukturiert werden. Bereits in der fünften und sechsten Klasse sollen die Schüler:innen lernen, Inhalte selbständig zu erarbeiten. Die Schüler:innen erstellen zusammen mit dem:r Pädagog:in einen Wochenplan in welchem festgelegt wird, wann die Schüler:innen allein arbeiten, wann sie in einer Gruppe arbeiten und wann sie gemeinsam mit dem:r Pädagog:in arbeiten. Nach der neunten Schulstufe würde die Schulpflicht grundsätzlich enden, jedoch entscheiden sich 80 Prozent der jungen Schwed:innen dazu, weiter aufs Gymnasium zu gehen.
Deutsches Bildungswesen im Vergleich zum Französischen
Gilt in Deutschland ein:e Schüler:in als behindert, verändern sich die Chancen auf den Bildungszugang erheblich. Anders sieht das jedoch in Frankreich aus, wie aus diesem Artikel von der Zeit hervorgeht.
In Deutschland existiert eine Vielfalt an Schulmodellen und Programmen die darauf ausgerichtet sind, Menschen mit Behinderung einen egalitären und inklusiven Bildungszugang zu garantieren. Für Grundschulkinder findet sich relativ unkompliziert ein Integrationsplatz, doch ab dem Sekundarbereich ist oft nur noch eine zieldifferenzierte Inklusion möglich. Schulkinder mit Behinderung können ohne eine:n Schulbegleiter:in als nicht beschulbar erklärt werden und unter bestimmten Bedingungen theoretisch sogar vom Unterricht ausgeschlossen werden. In Frankreich ist solch ein Ausschluss nicht möglich, denn das Recht auf Bildung wurde 1989 im Gesetzbuch verankert. In Deutschland wird zwar die Menschenrechtskonvention und die Kinderrechtskonvention und somit das Recht auf Bildung anerkannt, jedoch ist dieses Recht nicht explizit im Gesetzbuch verankert und das macht einen kleinen, aber relevanten Unterschied.
Was kann das Bildungswesen in Deutschland von anderen Ländern lernen?
Das deutsche Bildungssystem steht verglichen zu anderen europäischen Ländern in keinster Weise schlecht dar. Nicht nur in Deutschland gilt es, Bildung unabhängig der Herkunft, der Kultur, des Geschlechtes oder des Wohlstandes der Familie für alle Kinder auf gleicher Weise bereitzustellen. Kein Kind darf eine Benachteiligung erfahren, nur weil es aus einer Familie mit wenig finanziellen Mitteln kommt. Die Bildungspolitik sollte hier intervenieren und Familien mit geringem Einkommen Mittel zur Begleichung von Schulmaterialien und anderen Kosten die im Zusammenhang mit der Schulbildung stehen, bereitstellen. Inklusion könnte nicht nur durch die Chancengleichheit im Bildungswesen durch bereitgestellte finanzielle Mittel vereinfacht werden, sondern auch durch die Aufhebung des Ausschlusses aus dem Unterricht von beeinträchtigten Kindern würde dem Bildungswesen eine Konjunktur verpasst werden.
Was kann die EU grundsätzlich für mehr Bildungsgerechtigkeit tun?
Ein erster Schritt in die richtige Richtung wurde bereits 2015 beim Gipfeltreffen der United Nations Organisation gemacht. 193 Mitgliedstaaten der United Nations verpflichteten sich durch das Unterzeichnen der Agenda 2030 dazu, für alle Menschen eine inklusive, chancengerechte und hochwertige Bildung sowie Möglichkeiten zum lebenslangen Lernen in ihrem Land bereitzustellen, um die Bildungsgerechtigkeit voranzutreiben.
Die EU legt Grundsätze wie die Verwirklichung eines lebenslangen Lernens sowie die hohe Qualität und die Effizienz der allgemeinen und beruflichen Bildung fest. Zudem sollen die EU Mitgliedstaaten in der Umsetzung von Chancengleichheit, sozialen Zusammenhang sowie in einem aktiven Bürgersinn gefördert werden, indem das Ausleben von Kreativität, Innovationen und Unternehmergeist eine zentrale Rolle einnehmen.
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