Geschlechtersensible Bildung und Geschlechtsneutralität in der Schule

Chancengleichheit und die Gleichstellung von Mann und Frau sind zentrale Werte unserer Gesellschaft. Vor dem Gesetz sind alle deutschen Bürger:innen gleichgestellt. Doch gesellschaftlich bestehen noch viele Ungleichheiten die es zu beseitigen gibt. Pädagog:innen können im Schulkontext dazu beitragen, Kinder mit diesen Ungleichheiten in Berührung zu bringen und zu zeigen, wie geschlechtsspezifische Sozialisation  und geschlechtersensible Bildung funktionieren kann.

In diesem Artikel möchten wir unter anderem Fragen wie ,,Was bedeutet eigentlich Geschlechtsneutralität?’’ , ,,Was ist der Unterschied zwischen Sex und Gender?’’ und ,,Was ist wichtig für eine geschlechtersensible Bildung?’’ nachgehen sowie veranschaulichen, warum genderneutrale Sprache und geschlechtsneutral Schreiben wichtig für den Unterricht und den Alltag im Allgemeinen ist.

Was bedeutet Geschlechtsneutralität?

Geschlechtsneutralität bezieht sich häufig auf Formulierungen, bei denen kein Rückschluss auf das angesprochene Geschlecht gegeben wird. Geschlechterneutral kann aber nicht nur die Sprache sein, sondern auch die Erziehung. Bei der geschlechtsneutralen Pädagogik geht es nicht darum, eine Mitte zwischen männlich und weiblich zu finden, die genderneutral ist. Vielmehr geht es darum einem Kind selbst zu überlassen, wer und wie es sein möchte. Es geht um Chancengleichheit. Den Kindern kann die Möglichkeit gegeben werden, die verschiedensten Ausprägungen von männlichem und weiblichem Verhalten zu erleben.

Was ist überhaupt der Unterschied zwischen Sex und Gender?

In der englischen Sprache wird seit einigen Jahrhunderten zwischen den beiden Begriffen ,,Sex’’ und ,,Gender’’ unterschieden: Unter Sex meint man das biologische Geschlecht, unter Gender jedoch das grammatische Geschlecht. Auch im deutschen Raum haben sich beide Begriffe fest verankert. Money, Hampson und Stoller bezeichnen mit dem Begriff Gender die Geschlechtsidentität und die Geschlechterrollen und unter Sex sind das biologische Geschlecht zu verstehen. Das biologische Geschlecht und die visuelle Geschlechtsidentifikation müssen nicht immer eindeutig männlich oder weiblich sein. Auch mit anderen Möglichkeiten wie einer Untersuchung der Chromosomen, des Keimdrüsen- oder Gonadengeschlechtes oder der Hormone muss sich nicht zwingend das biologische Geschlecht bestimmen lassen. Das Geschlecht kann nicht immer als zwei entgegengesetzte Kategorien gedacht werden. Unser Gender wird meist durch die sozialen Strukturen um uns herum bestimmt. Je nach persönlicher Auseinandersetzung identifizieren wir uns mehr oder weniger mit den erlernten Geschlechterrollen und halten sie entsprechend mehr oder weniger ein. In all den Prozessen entwickeln wir unsere eigene Genderidentität.

Weshalb ist eine geschlechtersensible Bildung wichtig?

Durch die rechtliche Gleichstellung und die Weiterentwicklung der Rollenbilder in den letzten Jahrzehnten stehen die Chancen für ein selbstbestimmtes und gleichberechtigtes Leben unabhängig vom Geschlecht besser als früher. Allerdings ist eine völlige Gleichberechtigung der Geschlechter und die Möglichkeit einer freien Entfaltung und Akzeptanz ohne Einschränkungen und geschlechtsbezogenen Erwartungen auch heute noch nicht zur Gänze erreicht. Frauenfeindlichkeit, Sexismus  sowie Homo- und Transphobie finden leider noch immer Platz in unserer Gesellschaft.

In der Schule und auch gesamtgesellschaftlich zeigen sich Geschlechterstereotype und geschlechterbezogene Unterschiede, die auf die Schüler:innen eine nachteilige Wirkung haben können. Auf der Website der Qua-Lis NRW geht hervor, dass laut einer Studie mehr Schüler eine Klasse wiederholen oder die Schule abbrechen als Schülerinnen. Mädchen hingegen zeigen nach wie vor ein geringeres Interesse und Selbstvertrauen in mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern als Jungs. Wenn die Gesellschaft im Ganzen betrachtet wird, sind Einkommensunterschiede zwischen Mann und Frau, die gerechte Aufteilung der Familien und Erwerbsarbeit sowie Geschlechterunterschiede im Gesundheitsverhalten die Realität.

In Schulen wird geschlechtersensible Bildung als Auftrag und Chance gesehen, um den genannten Ungleichheiten und Geschlechterstereotypen ein Ende zu setzen. Geschlechtersensible Bildung zielt darauf ab, Benachteiligungen die aufgrund des Geschlechtes entstehen zu vermeiden. Die Schule soll genderneutral sein und Schüler:innen darauf vorbereiten, nach der Schulzeit ein selbstbestimmtes Leben zu führen, sich für Gleichberechtigung stark zu machen und vielfältige Lebensentwürfe zu akzeptieren und zu leben.

Worauf sollte man achten, wenn man geschlechtersensibel unterrichten möchte?

Im Alltag, häufig vermittelt durch die Medien und durch Erfahrungen in der Arbeitswelt, werden Kindern und Jugendlichen tagtäglich Bilder und Muster von Männlichkeit und Weiblichkeit präsentiert und vorgelebt, die die Geschlechterrollenstereotype vorschreiben. Ziel der geschlechtersensiblen Bildung und des Unterrichts ist es, die Gleichberechtigung der Geschlechter und der selbstbestimmten Lebenshaltung zu fördern. Hierzu gibt es zwei Zieldimensionen, die man sich für einen geschlechtersensiblen Unterricht in Erinnerung rufen kann:

  • Die Entfaltung der individuellen Potenziale der Kinder im Unterricht sollte stets gegeben sein. Geschlechtersensible Bildung kommt darin zum Ausdruck, dass alle Schüler:innen ihre individuellen Potenziale bestmöglich entfalten können. Lernsituationen sollten so aufbereitet werden, dass Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts gemieden werden.
  • Zudem ist es beim Unterrichten von großer Bedeutung, die Entwicklung und Stärkung von Kompetenzen und Haltungen, welche auf die Gleichberechtigung der Geschlechter ausgerichtet sind, den Schüler:innen näher zu bringen und ihnen diese Werte für das spätere Leben weiterzugeben.

Geschlechtersensibel sprechen im Alltag? Warum genderneutrale Sprache verwendet werden soll

Sprache ist mehr als nur ein Kommunikationsmittel. Wir nutzen Sprache nicht nur, um etwas über die Welt zu sagen, sondern drücken zugleich unsere eigene Weltsicht aus – auf bewusste und unbewusste Weise. Je nachdem wie wir Sprache verwenden, hat sie eine gewisse Aussagekraft über uns und über die Gesellschaft, die uns umgibt. Sprache kann ausgrenzen und verletzen, daher ist das generische Maskulin in der Sprache nicht ausreichend, um alle Personen in einer Gesellschaft mit einzubeziehen. Ob beabsichtigt oder nicht kann es zu Ausgrenzung führen, wenn über eine Menschengruppe nur in der maskulinen Form geschrieben oder gesprochen wird, wie zum Beispiel ,,alle Lehrer’’, ,,alle Schüler’’, ,,die Ärzte’’ und so weiter. Begriffe können zum Beispiel geschlechterneutral formuliert werden wie ,,alle Lehrkräfte’’, ,,alle Schulkinder’’ oder ,,das Ärztepersonal’’. Genderneutral sprechen für mehr Geschlechtsneutralität ist aber auch durch die Verwendung des Glottisschlag möglich. Dabei werden bewusst die feminine und die maskuline Variante eines Wortes verwendet, wie zum Beispiel alle Lehrer:innen. Der Doppelpunkt signalisiert eine kurze Sprechpause, die während der Aussprache des Wortes gemacht wird. So eine Sprechpause kommt nicht in erster Linie bei der femininen und maskulinen Form eines Wortes vor, sondern auch bei Substantiven wie beispielsweise Spiegelei oder Staubecken.

Doch nicht nur Genderneutralität beim Sprechen, sondern auch geschlechtsneutral schreiben ist für eine inklusivere, genderneutrale Gesellschaft von großer Bedeutung.

Genderneutral Unterrichten: Didaktische Anregungen und Übungen für geschlechtersensible Bildung

Nachfolgend haben wir für euch Impulse für geschlechtersensible Bildung gesammelt, die in den Unterricht integriert werden können:

  • Geschlechtersensibel unterrichtet kann vor allem dann werden, wenn in den Unterrichtsmaterialien Diversitäten dargestellt werden. Schüler:innen werden so nicht in einem heteronormativen Denken beschränkt, sondern erfahren andere Zusammenstellungen von Paaren, sehen die unterschiedlichsten Körperformen und vielleicht auch einmal Menschen, die körperlich oder geistig eingeschränkt sind.
  • Geschlechtsneutral schreiben und sprechen im Unterricht bezieht nicht nur alle anwesenden Personen ein, sondern setzt auch den Impuls für die Kinder, es dem:r Lehrer:in gleichzutun.
  • Genderneutrale Projekte und das Vermischen von Mädchen und Jungs in Gruppenarbeiten schafft eine genderneutrale Atmosphäre in der Klasse. Bei Arbeiten in der Gruppe ist es wichtig, dass sich jedes Kind in gleichem Maße mit einbringen und Standpunkte vertreten kann.
  • Das eigene Verhalten kann, wenn es um eine genderkompetente Schule geht, auch regelmäßig mit folgenden Fragen überprüft werden: Wie spreche ich die Schüler:innen an? Welche Vorstellungen von Weiblichkeit und Männlichkeit gebe ich möglicherweise weiter? Wen nehme ich wann an die Reihe und wen motiviere ich für eine Leistung in welchem Unterrichtsfach?

In diesem Handbuch werden Möglichkeiten und Tipps zu einer geschlechtssensiblen Bildung für Lehrer:innen versammelt. Dieses Handbuch dient als Weiterbildung im Bereich geschlechtersensible Bildung.

Wenn du hier klickst, gelangst du auf unseren Blog auf dem weitere spannende Beiträge zum Thema Schule auf dich warten.

Probiere SPLINT mit deinem Kollegium 6 Wochen lang aus - unverbindlich und kostenlos!