Gemeinsames Lernen digital gestalten: Wie SPLINT hilft, Inklusion praktisch umzusetzen – zwei Sonderpädagog:innen berichten
OELDE. Die Gesamtschule im westfälischen Oelde hat mit SPLINT bereits vor vier Jahren ein digitales Förderplanungstool eingeführt, das nicht nur die Arbeit des Kollegiums revolutioniert, sondern auch das gemeinsame Lernen fördert. Im Interview berichten die Sonderpädagogin Julia Gellern und ihr Kollege Dennis Fratczak, welche Vorteile SPLINT bei ihrer täglichen Arbeit bietet, warum sie das Tool auch anderen Schulen empfehlen – und welchen Stellenwert es dabei hat, Inklusion in der Praxis zu ermöglichen.
Wie haben Sie früher die Förderplanung durchgeführt – vor der Einführung von SPLINT?
Dennis Fratczak: Vor dem Einsatz von SPLINT hat jeder Sonderpädagoge und jede Sonderpädagogin an unserer Schule die Förderplanung in eine eigene Tabelle eingetragen. Es gab dafür kein vorgegebenes Format.
Julia Gellern: Ich erinnere mich daran, dass ich mir im Jahr 2015 zu Beginn des Gemeinsamen Lernens einen tragbaren Aktenkoffer gekauft habe. Jeder Schüler hatte darin eine eigene Mappe, die ich dann immer mit mir herumgeschleppt habe.
Welche Beweggründe gab es für die Einführung von SPLINT an Ihrer Schule?
Julia Gellern: Uns ist es wichtig, dass im Gemeinsamen Lernen nicht nur Kinder mit explizitem Förderbedarf Unterstützung erhalten, sondern alle Kinder. Außerdem wollten wir durch den Einsatz von SPLINT die Förderplanung vereinheitlichen. SPLINT bietet zudem die Möglichkeit, Förderziele und Maßnahmen gemeinsam im Kollegium zu erarbeiten und umzusetzen. Auch die Kommunikation über die Förderung kann in SPLINT gut erfolgen.
Werden alle Kinder und Jugendlichen an der Gesamtschule Oelde im Förderplanungstool SPLINT erfasst oder werden nur bestimmte Zielgruppen dadurch angesprochen?
Dennis Fratczak: Wir haben im Sommer 2021 in Klasse fünf angefangen, mit SPLINT zu arbeiten. In diesem Jahrgang wurden alle Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf und vereinzelt Kinder mit anderen Unterstützungsbedarfen erfasst. Heute sind diese Schülerinnen und Schüler in der achten Klasse. Mittlerweile werden an unserer Schule alle Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf und vereinzelt Schüler*innen mit besonderen Bedarfen in der Förderplanung erfasst und diese wird dann stetig fortgeführt.
Wie setzen Sie das Tool konkret im Schulalltag ein?
Dennis Fratczak: Was mich an SPLINT von Beginn an fasziniert hat, sind die Fragebögen, die sehr anwenderfreundlich aufgebaut sind und die man auf niederschwellige Art und Weise an Kolleginnen und Kollegen weitergeben kann. Diese Fragebögen sind immer der Ausgangspunkt, wenn ein Kind das erste Mal in SPLINT aufgenommen wird. In regelmäßigen Abständen werden die Fragebögen dann wieder von mir ausgefüllt, um auf dem aktuellen Stand zu bleiben. So werden Themen wie zum Beispiel das Arbeits- oder Sozialverhalten bearbeitet.
Die Informationen dazu erhalte ich von der Klassenleitung oder den jeweiligen Fachlehrkräften. Durch die Beantwortung der Fragen ergibt sich dann immer schon eine Priorisierung der Förderziele anhand der aufgelisteten Bedarfe. Diese Priorisierung erfolgt im Tool automatisch und das ist sehr praktisch. Dazu halte ich auch immer Rücksprache mit der jeweiligen Klassenleitung. An den Elternsprechtagen, die zweimal im Jahr stattfinden, erhalten die Eltern dann den Förderplan mit den darin vermerkten Förderzielen zur Einsicht. Dadurch werden die Förderpläne stetig aktualisiert und evaluiert. Auch Beobachtungen aus dem schulischen Alltag fließen mit ein. Dadurch können immer neue Bedarfe festgestellt und die Fördermaßnahmen entsprechend angepasst werden. Ich teile meine Beobachtungen auch den Klassen- und Fachlehrkräften mit und so ergibt sich aus meinen und ihren Beobachtungen der Schülerinnen und Schüler ein vollständiges Bild. So wird uns eine optimale Förderplanung ermöglicht.
Julia Gellern: Diese Beobachtungen kann ich unkompliziert direkt im Unterricht oder im Gespräch mit den Eltern oder dem Schüler über mein digitales Endgerät in den Förderplan eintragen. Was früher als Notiz auf einem kleinen Zettel im Verlauf eines Gespräches landete, kann nun über das Tool an einem zentralen Ort gesammelt werden.
Wo liegen aus Ihrer Sicht die Vorteile von SPLINT gegenüber anderen Möglichkeiten der Förderplanung?
Julia Gellern: Meiner Ansicht nach ist das Programm sehr durchdacht. Ich kann zum Beispiel die Namen der Schüler*innen verpixeln, was praktisch ist, wenn ich im Unterricht etwas eintrage. Ich weiß zwar, an welchem Förderplan ich gerade arbeite, aber die Schüler*innen können die Namen durch die Verpixelung nicht lesen. Auch die Vorschläge finde ich sehr hilfreich. Sie können bei der Formulierung von möglichen Förderzielen helfen.
Dennis Fratczak: Auch die Maßnahmen können im Tool jederzeit angepasst und individualisiert werden. Auch die in SPLINT enthaltenen Diagnostiktools gefallen mir gut. Ich empfinde es als sehr hilfreich, dass ich als Sonderpädagoge vorher eine Auswahl treffen kann. Ich kann auswählen, welche Punkte für die Förderung des Schülers oder der Schülerin relevant sind und somit ist das Arbeiten an spezifischen Fragestellungen sehr gut möglich.
Wie funktioniert die Zusammenarbeit im Kollegium?
Julia Gellern: Bisher haben nur wir Sonderpädagogen und die Beratungslehrkräfte einen Zugang für SPLINT. Es wäre wünschenswert, auf Dauer Zugänge für alle Lehrkräfte an unserer Schule zu erhalten. Natürlich ist das auch typabhängig, ob man digitalen Tools gegenüber affin ist oder nicht. Einige Sonderpädagog*innen machen seit Jahren ihre Förderplanung analog, die muss man erst für die Digitalität gewinnen. Alle jungen Kolleg*innen, denen wir SPLINT vorstellen, sind von diesem Tool begeistert.
Dennis Fratczak: Die Regelschullehrkräfte haben zwar bei uns momentan noch keinen Zugang zu SPLINT, aber sie sind natürlich am Ausfüllen der Fragebögen beteiligt und profitieren von der ausgearbeiteten Förderplanung im Unterricht mit den Schüler*innen. Alle Lehrkräfte an unserer Schule wirken an der Förderplanung mit und teilen ihre Beobachtungen mit uns Sonderpädagog*innen, damit wir diese in SPLINT eintragen und den Förderplan stetig weiterentwickeln.
Würden Sie anderen Schulen den Einsatz von SPLINT empfehlen?
Julia Gellern: Ich habe frühzeitig begonnen, in Sitzungen auch im Bezirksregierungskreis Münster von den positiven Erfahrungen zu berichten, die wir im Umgang mit SPLINT gemacht haben. Mittlerweile gibt es im Bezirksregierungskreis Münster ein Modellprojekt. Es läuft jetzt, glaube ich, ungefähr seit einem Jahr und soll bis August 2025 weitergehen. Wir haben uns sehr darüber gefreut, dass unsere Arbeit auf diese Weise von der Bezirksregierung bestätigt wurde. Ich würde SPLINT jederzeit weiterempfehlen und denke, dass es eine sinnvolle Ergänzung im Arbeitsalltag darstellt. Gerade in diesen großen Systemen, die aktuell bestehen, trägt es dazu bei, das Gemeinsame Lernen effektiver und klarer strukturiert zu gestalten.
Dennis Fratczak: Ich würde das Tool ebenfalls weiterempfehlen. Meine Gründe dafür sind zunächst die Vereinheitlichung des gesamten Prozederes rund um die Förderplanung sowie die sehr einfache und intuitive Anwendung. Besonders gefällt mir, dass dabei das Kollegium miteinbezogen wird. Auch die in SPLINT enthaltenen Diagnostiken halte ich für äußerst empfehlenswert.
Wenn wir den Blick in die Zukunft richten, gibt es etwas, was Sie sich im Bezug auf die Förderplanung wünschen würden?
Dennis Fratczak: Das gesamte System wird ja stetig weiterentwickelt. Ich weiß, dass gerade daran gearbeitet wird, eine Möglichkeit zu schaffen, Maßnahmen und Zielformulierungen zu sammeln, zusammenzuführen und zu archivieren. Das wäre, glaube ich, ein großer Schritt für die Anwendung. Ich freue mich schon sehr darauf, weil dann nicht nur die bereits abgelegten und voreingepflegten Maßnahmen und Ziele verfügbar sind, sondern sich das Ganze durch die Beteiligung vieler Menschen als eine Art Schwarmintelligenz weiterentwickeln und wachsen kann.
Julia Gellern: Das sieht man auch, wenn man die Entwicklung von SPLINT von 2021 bis heute betrachtet. Gerade diese Schwarmintelligenz, die Herr Fratczak angesprochen hat, halte ich für einen wichtigen Aspekt. Es handelt sich dabei nicht um ein Programm, das einmal festgelegt wurde und das wir dann einfach so anwenden. Stattdessen gibt es eine ständige Weiterentwicklung, was meines Erachtens auch den Grundgedanken von Inklusion widerspiegelt. Inklusion ist etwas, das sich ständig weiterentwickelt. Ich glaube, ein Erfolg ist dabei nur möglich, wenn wir weiterhin flexibel bleiben und uns kontinuierlich fortentwickeln.